Trotz Perspektivlosigkeit noch an der Pfeife

Regionalschiedsrichter Thomas Ehrnsperger vom 1.FC Rieden – trotz Perspektivlosigkeit noch an der Pfeife, Warum?
Der 34-jährige verheiratete Referee Thomas Ehrnsperger vom 1.FC Rieden ist seit sieben Jahren Schiedsrichter in der Regionalliga Bayern. Bisher leitete er in der höchsten bayerischen Spielklasse 66 Spiele als Hauptverantwortlicher und 45 Matches als Assistent an der Seitenlinie. Des Weiteren blickt er auf 30 Begegnungen als Unparteiischer und 50 Einsätze als Linienrichter in den Junioren-Bundesligen zurück.
Ehrnsperger begann 1996 als fünfjähriger Steppke beim SV Vilshofen dem runden Leder hinterherzujagen. 2002 -2009 schaffte er in den sieben Jahren bei der JFG Vilstal u.a. unter der Trainer-Regie des kürzlich verstorbenen Walter Mocker den Aufstieg in die C-Jugend Bezirksoberliga. Als A-Jugend-Spieler wechselte er für ein Jahr zum SV Raigering bevor er dann wenig später beim 1.FC Rieden mit nur noch gelegentlichen Einsätzen seine aktive Spielerkarriere beendete. Parallel zum Fußballsport legte der jetzt in Ensdorf lebende Lehrer 2005 seine Schiedsrichterprüfung ab. Thomas Ehrnsperger startete als Schiri durch und pfiff bereits 2008 seine erste Bezirksligapartie. Nur drei Jahre später wurde er bereits in die Landesliga und fünf Jahre darauf in die Bayernliga und A-Junioren-Bundesliga berufen. 2018 folgte dann der Sprung in die höchste bayerische Fußball-Spielklasse Regionalliga.
Unsere Zeitung hat mit dem sympathischen Sportsmann mit der Pfeife im Gepäck ein interessantes Interview geführt
Gattaut: Lieber Thomas Du bist als Referee bereits vor sieben Jahren in der höchsten Spielklasse Bayerns, der Regionalliga angekommen. Ist das bereits die Endstation oder gibt es noch Möglichkeiten in den Profifußball, z.B. 3. Liga aufzusteigen?
Thomas Ehrnsperger: Aufgrund der (nicht offiziellen) Altersgrenze geht da leider nichts mehr.
Gattaut: Welches Spiel war bisher das bedeutendste Deiner Karriere?
Thomas Ehrnsperger:
Das größte Highlight war ein Assistenten-Einsatz zwischen Bayern 2 und 1860 2. Das ausverkaufte Grünwalder Stadion bot eine klasse Atmosphäre. Allerdings wurde ich nervös als ich ein Tor wegen Abseits aberkannte und hunderte Fans hinter mir vor Wut an diesem alten wackeligen Zaun rüttelten.
Gattaut: Was hat Dich 2005 dazu bewogen das runde Leder gegen eine Pfeife einzutauschen?
Thomas Ehrnsperger: Florian Söldner vom SV Vilshofen. Er war zu dem Zeitpunkt Schiedsrichter. Und als ich erfahren habe, dass er als Schiedsrichter etwas Geld bekommt, war mir klar, dass ich dann keine Zeitungen mehr mit meinem alten Fahrrad durch das bergige Vilshofen fahren müsste.
Gattaut: Oft wird im Amateur-Fußball von verbalen Entgleisungen der Fans und Anfeindungen gegenüber den Unparteiischen berichtet. Welche Erfahrungen hast Du persönlich gesammelt?
Thomas Ehrnsperger:
Einmal schubste mich ein Spieler und ich brach das Spiel ab. Mal kam unmittelbar nach einem Spiel eine Mail mit einigen Beleidigungen, aber noch mehr Rechtschreibfehlern. Das sticht raus. Ich muss aber auch sagen, dass wir Schiedsrichter nicht alles zu ernst nehmen sollten. Wenn die Zuschauer nach einem Pfiff plötzlich „Fußballmafia BFV“ oder „Schieber“ rufen, gehört dass auch mit dazu und sollte mit Humor genommen werden. Meine Assistenten weisen mich dann schon gerne lachend daraufhin, dass ich gerade abgefeiert werde. Grundsätzlich geht es in Bayern recht gesittet zu, auch wenn jeder Vorfall einer zu viel ist. Man liest auch von Schlägen und Tritten. Das sind schlimme Einzelfälle, die immer strafrechtlich verfolgt werden sollten.
Gattaut: Welches Ereignis während Deiner Referee-Karriere hat Dich positiv beeindruckt?
Thomas Ehrnsperger:
Spieler, die auch nach Fehlentscheidungen nicht aus der Haut fahren, sondern sich unter Kontrolle haben. Wenn es mehr Spieler wie z. B. Julian Ceesay (Inter Bergsteig Amberg) geben würde, wären die Fußballplätze sauberer und fairer. In einem wichtigen Spiel hatte ich vermutlich etwas falsch entschieden. Es ging um ein mögliches Handspiel im Strafraum. Ich hatte schlechte Sicht und meine SRA konnten nicht helfen. Daher habe ich keinen Strafstoß gepfiffen, da ich mir nicht 100% sicher war. Während mich ein erwachsener Vereinsfunktionär von außen wüst beschimpft hatte, sprach Julian trotz der wichtigen Entscheidung sehr ruhig und sachlich mit mir. Trotz der Enttäuschung über meinen Fehler blieb er auch Vorbild für die Kinder, die außen zusehen.
Gattaut: Hast oder hattest Du ein Schiedsrichter-Vorbild?
Thomas Ehrnsperger:
Nein.
Gattaut: Mit welchen Argumenten würdest Du den Fußball-Nachwuchs überzeugen wollen selber Schiedsrichter zu werden?
Thomas Ehrnsperger:
Der gewinnbringendste Aspekt ist die Persönlichkeitsentwicklung. Du triffst in einem Spiel ca. 70-90 Entscheidungen als Schiedsrichter. Selbstverständlich passieren hier immer Fehler. Man lernt mit Fehlern umzugehen, an diesen zu arbeiten, aber diese auch abzuhaken. Man lernt Gesagtes zu kanalisieren. Welche Kritik ist hilfreich? Welche Kritik kommt durch die Vereinsbrille? Wie kann ich an meiner Körpersprache arbeiten, damit mir die Leute meine Entscheidung abnehmen, sei sie auch noch so falsch? Wer als junger Mensch Schiedsrichter ist und regelmäßig Spiele leitet profitiert in vielen anderen Lebensbereichen davon. Und recht gut bezahlt ist es mittlerweile ja auch. Für ein D-Jugendspiel gibt es ab der neuen Saison 31,00 €. Wir freuen uns immer über motivierte Anwärter.
Artikel Peter Gattaut

Seit sieben Jahren leitet Thomas Ehrnsperger Spiele in der höchsten Liga Bayerns. Weiter aufsteigen kann er nicht mehr, dennoch bleibt die Passion am Schiedsrichterwesen. Foto: Imago/Zink

Thomas Ehrnsperger